Von wegen „Bielefeld gibt es gar nicht“: Am 29. September 2016 findet der 9. IHK-Außenwirtschaftstag in der Bielefelder Stadthalle statt – und das ist immerhin die mit Abstand größte Veranstaltung zu Themen des wirtschaftlichen Auslandsgeschäfts in Nordrhein-Westfalen (NRW) und eine der größten ihrer Art in ganz Deutschland. Zwischen 9.30 und 17 Uhr gibt es ein umfangreiches Programm, moderiert von Claudia Kleinert, mit 50 Referenten, dem Keynote Speaker und Bundesaußenminister a.D. Joschka Fischer und NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin.
Vertreter von 70 Auslandshandelskammern aus aller Welt informieren die erwarteten 800 Besucher in 600 Einzelgesprächen speziell über die länderspezifischen Besonderheiten des Exportgeschäfts. Dazu kommen themenbezogene Messestände von 40 Ausstellern. In Sachen Außenhandel ist damit eine enorm geballte Kompetenz vor Ort, die „Unternehmen in bewegten Zeiten“ – dem Motto der Veranstaltung, Orientierung in einer Welt bieten möchte, die laut Fischer aktuell von „Instabilität als neuer Stabilität“ geprägt ist.
Vor allem, aber nicht nur, politische Themen rund um die Wirtschaft
Das Programm spiegelt die politisch aktuellen Themen wieder, die zurzeit das Weltgeschehen um uns herum bestimmen und damit natürlich auch die Wirtschaft. Der Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland, S.E. John B. Emerson, spricht über die „USA: Handelspartner Nr. 1 für Deutschland“ – eine Nation, die momentan ganz beherrscht wird von den im November anstehenden Präsidentschaftswahlen, was auch Thema eines der neun Talk-Panels sein wird („Die USA im Wahljahr: Perspektiven, Trends und Herausforderungen für deutsche Unternehmen“). Die USA sind für Deutschland der weltweit wichtigste und größte Handelspartner. Weitere Panels behandeln die Themen Großbritannien und der „Brexit“, Iran im Zeichen der Lockerung der Sanktionen, die komplexe Lage in China und die schwächelnde Konjunktur in Russland, das durch die Spannungen mit der Ukraine auch zu politischer Unruhe beiträgt.
Doch nicht nur bestimmte Nationen und Regionen stehen im Fokus der Talk Panels, sondern auch der Export als Chefsache sowie Freihandelsabkommen und die richtige Steuerung von Auslandstöchtern. Und natürlich darf das allgegenwärtige Thema Industrie 4.0 („Digitalisierung trifft Internationalisierung“) nicht fehlen.
Keine Sorge vor Auslandsgeschäften – die Chancen stehen gut
Auch wenn Joschka Fischer vom möglichen Scheitern des Projekts Europa, einer neuen Weltordnung nach dem Ende der „Pax Americana“ und verschiedenen anderen „Disintegrationskräften“ in der Weltpolitik sprechen wird: Schwarz sehen muss der deutsche Außenhandel ganz gewiss nicht. Es kommt darauf an, die Chancen realistisch einzuschätzen. China zum Beispiel, einer der weltweit wichtigsten Wirtschaftsmärkte und wichtigster asiatischer Handelspartner für Deutschland, kämpft mit eigenen wirtschaftlichen und politischen Problemen. Dennoch sind sich Experten einig, dass China deutschen Unternehmen weiterhin hohes Erfolgspotenzial bietet – nur eben differenzierter und auf bestimmte Bereiche, Regionen und Industrien konzentriert. Außerdem sollte man Taiwan nicht aus dem Blick verlieren: ein sehr verlässlicher Wirtschaftspartner, für den Deutschland einen sehr hohen Stellenwert hat.
Eine Lanze für den Iran bricht Harald Grefe, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, die seit 2000 Schwerpunktkammer in NRW für den Iran ist: „80 Millionen Menschen, viele von ihnen mit guter Ausbildung, riesige Rohstoffvorkommen und eine Affinität zur Industrie – das ist anders als in den Nachbarstaaten, die eher Handelsnationen sind.“ Damit ergeben sich laut Grefe gerade für die Deutschen gute Chancen, den Aufbau des Landes zu begleiten. Doch sollte man nicht zu euphorisch sein, denn die langjährigen Wirtschaftssanktionen gegen das Land, die jetzt erst nach und nach gelockert werden, haben die Wirtschaftskraft des Iran stark geschwächt. Dennoch schätzt der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK), dass sich das deutsch-iranische Handelsvolumen in den kommenden drei Jahren auf 5 Milliarden Euro verdoppeln könnte und vielleicht in fünf bis sieben Jahren auf 10 Milliarden Euro steigen könnte. Klassischen Branchen wie dem Maschinen- und Anlagenbau, dem Automotive-Bereich und den Zulieferern für die Öl- und Gas-Industrie, die in NRM stark vertreten sind, werden besonders gute Chancen eingeräumt. Nicht zuletzt deswegen hat es bereits eine Wirtschaftsdelegation mit OWL-Wirtschaftsvertretern in den Iran gegeben – es wird nicht die letzte gewesen sein.
OWL: Chancen in der Außenwirtschaft? Ja!
„Ostwestfalen war schon immer eine starke Wirtschaftsregion, geprägt von mehrheitlich familiengeführten Mittelständlern und einem breiten Branchenmix,“ stellt IHK-Präsident Wolf D. Meier-Scheuven fest und weist darauf hin, dass in OWL viele Hidden Champions beheimatet seien, die in ihren Marktsegmenten Weltmarktführer sind. „Damit bedienen wir in Ostwestfalen eher die qualitativ anspruchsvollen Nischen als die ‚breite Masse‘. Das wird international durchaus wahrgenommen.“ Und natürlich spielt dabei auch OWL als „Spitzencluster-Region“ eine wichtige Rolle, da ein Aufgabengebiet der Spitzencluster das Knüpfen internationaler Kontakte ist: „Bislang hat der Austausch mit China, Großbritannien, Polen und Skandinavien stattgefunden,“ so Meier-Scheuven in einem Interview der Neuen Westfälischen vom 31. August 2016, und wir ergänzen, auch mit Frankreich. Als Technologie-Region für das Thema Industrie 4.0 wird OWL laut Meier-Scheuven auf jeden Fall international wahrgenommen. Er hofft, dass der Außenwirtschaftstag noch mehr ostwestfälische Unternehmen motivieren wird, im Ausland neue Märkte zu erschließen. Diese Veranstaltung bietet dazu jedenfalls direkt vor Ort jede Menge Gelegenheit für tiefgehende Informationen.
Titelbild: Key-Visual 9. IHK-Außenwirtschaftstag NRW 2016, ©IHK Ostwestfalen 2016
Alle anderen Bilder: ©IHK Ostwestfalen 2016