Die WEGE mbh (Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Bielefeld) lud am 30. Juni zu einer Informationsveranstaltung mit dem Titel „Industrie 4.0 – Strategien und Lösungsansätze zur Digitalisierung“ ein, der circa 30 Teilnehmer zum Gastgeber Dürkopp Adler AG folgten. Die zweistündige Veranstaltung bot einen Überblick darüber, wie mittelständische Unternehmen an das Thema Industrie 4.0 heran geführt werden können und welche Hilfestellungen es für sie bereits in OWL gibt – ganz nach dem Motto: Regionaler Austausch hilft!
Nach der Begrüßung durch Michael Kilian, den Vortstandssprecher der Dürkopp Adler AG, und Brigitte Meier von der Geschäftsführung der WEGE mbH ging es gleich los mit einem Impulsvortrag von Dr. Carola Haumann, der stellvertretenden Geschäftsführerin des Cor-Lab (Research Institute for Cognition and Robotics der Universität Bielefeld). Das Cor-Lab beteiligt sich im Rahmen des Spitzenclusters it’s OWL als Forschungspartner an Transferprojekten, indem es gemeinsam mit einem Partnerunternehmen neue, individuellen Lösungen erforscht und entwickelt, welche das Unternehmen in Sachen Industrie 4.0 auf den Weg bringen. Dabei ist es ganz wichtig, dass diese Entwicklungen anschließend auch auf andere Projekte übertragbar sind – daher der Begriff „Transferprojekt“. Das Cor-Lab hilft ganz konkret mit Solution-Projekten, Schulungen und Forschungsangeboten besonders zum Thema „Mensch-Maschine-Interaktion“. Ziel sind Lösungen zum sicheren und ausfallsicheren Betrieb komplexer Systeme. Haumann berichtete von zwei Projekten, an denen das Cor-Lab beteiligt war:
- Die Firma steute stellt hochkomplexe Fusspedale für Arztstühle her. An der Entwicklung neuer Lösungen war hier auch Miele beteiligt.
- Bei dem Projekt mit dem Mechatronik-Experten ixtronics ging es um resourceneffektive Mikroelektronik: Mechatronik-Lösungen werden mit Hilfe von FPGA-Technik schneller und damit leistungsfähiger und skalierbarer
Zwei Beispiele für Digitalisierung im Mittelstand
Anschaulich wurde das Thema „Industrie 4.0 auch bei den nächsten beiden Vortragenden, die von Beispielen für die Umsetzung der Digitalisierung in ihren Unternehmen berichteten.
Thomas Brinkhoff, Leiter Marketing und Produktmanagement der Dürkopp Adler AG, erzählte, dass man sich bei Dürkopp gar nicht bewusst war, welche revolutionären Schritte dort mit der Suche nach einer Machine-to-Machine-Kommunikationslösung eingeleitet wurden. Die vom Unternehmen hergestellten Nähmaschinen werden weltweit in unterschiedlichen Branchen professionell eingesetzt. Dürkopp wollte seinen Kunden die Möglichkeit geben, die Nähmaschinen via Netzwerkschnittstelle effizient zu konfigurieren, anstatt jede Maschine einzeln einstellen zu müssen. Das Unternehmen fand in der Telekom einen Partner für die Entwicklung einer Cloud-basierten Lösung. Diese erlaubt es, Software an die Nähmaschinen über ein Netzwerk zu übertragen, wodurch Updates und Fernwartung deutlich vereinfacht und mit viel weniger Zeit zu bewerkstelligen sind. Die Nähmaschinen liefern laufend Daten, so dass Echtzeit-Meldungen zu Fehlern genauso möglich sind wie die Online-Produktivitätsanalyse der Nähproduktion und auch die Verkettung von Näh-Arbeitsplätzen. Wichtig ist auch die gute Bedienbarkeit über grafische, gut verständliche Bedienfelder – Nähen geschieht in einer interkulturellen Situation, so Brinkhoff, das müsse bei den Bedienungsanleitungen und Informationen bedacht sein.
IT-seitig sind sichere Big Data-Lösungen notwendig, um die von vielen Maschinen gelieferten Daten auch effizient zu analysieren und zu beherrschen – und natürlich auch, um fehlerhafte Datenübertragungen zu erkennen.
Dieser völlig neue Ansatz von Dürkopp Adler ist ein gutes Beispiel für Industrie 4.0 und traf in der Branche auf viel Interesse. Mit diesem Ansatz lassen sich auch Pay-per-Use, Online-Bestellungen und Preventive Maintenance realisieren – womit sich schlicht ganz neue Geschäftsmodelle eröffnen, die in Abwicklungssysteme wie SAP integrierbar sind. Brinkmann wies auch darauf hin, dass Personal für die völlig neuen Aufgabenstellungen qualifiziert werden müsse. Die gesamte Nähindustrie, so Brinkmann, wird sich in wenigen Jahren völlig verändern, was Standorte, Prozesse und Digitalisierung beträfe. Dabei ist jedoch auch die Politik gefordert: Zum einen, was die Festlegung von Standards angeht und zum anderen, wenn es um die sozialen Folgen solcher Entwicklungen geht, denn das können Unternehmen allein nicht leisten. Und er betonte, wie fruchtbar der Austausch zu diesen Themen zwischen Unternehmen über verschiedene Branchen hinweg sei – ein Anliegen, zu dem diese Veranstaltung einen aktiven Beitrag leistete.
Der Steuerungswürfel als Alternative zur Fernbedienung
Burkard Herbach, Geschäftsführer Vertrieb der ASM Syncro Tec GmbH, einem mittelständischen Unternehmen aus dem Sektor LED-Leuchtmittel, Antriebstechnik und Mikroelektronik, stellte einen patentierten Steuerungswürfel vor, der in einem Transferprojekt gemeinsam mit dem CITEC der Universität Bielefeld (Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie) entwickelt wurde. In einem handlichen, robusten und wasserdichten Würfel ist eine komplexe Steuerungslösung verbaut, die praktischer handhabbar ist als eine Reihe von Fernbedienungen oder mobile Apps.
Wie Haumann bereits in ihrem Impulsvortrag betonte, geht es um die Entwicklung von Technik, die sich dem Menschen anpasst, anstatt ihn mit komplexen und umständlichen Bedienungsanleitungen zur Verzweiflung zu bringen. Bei ASM stand daher die Idee im Mittelpunkt, von einer jedem Menschen vertrauten Form, einem Würfel, auszugehen, dessen Verständnis und Anwendung sich entsprechend leicht intuitiv erschließt. Mittels einfacher Handbewegungen und Gesten lassen sich Geräte und Funktionen auf vielfältige Weise damit steuern, ohne das besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten vonnöten wären. Die Konfiguration dieser Würfel erfolgt komplett nach den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden.
Beratung für mittelständische Unternehmen in OWL
Mit dem Vortrag „Das Projekt Industrie 4.0 für den Mittelstand“ stellte Thore Arendt von der OWL GmbH vor, wie mittelständischen Unternehmen die Angst vor diesem Thema genommen werden kann – denn sie müssen sich in diese Richtung entwickeln, wenn sie künftig bestehen wollen. Doch diese Unternehmen stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Die OWL GmbH will hier ganz konkret mit Beratungsangeboten helfen und Unternehmen bei der Frage begleiten, mit wem es welche Schritte gehen kann, um zukunftsfähig zu werden. Dabei hilft es, einprägsame Begriffe zu prägen, um zu verdeutlichen, worum es geht. Beispiele dafür sind Mensch-Maschine-Kommunikation oder 3D-Druck, worunter man sich eben auch individuelle Lösungen vorstellen kann.
Die OWL GmbH arbeitet mit vielen anderen Organisationen zusammen, wie Digital in NRW, der SmartFactory und dem Spitzencluster it’s OWL und bietet Infoveranstaltungen, Schulungen und persönliche Erstgespräche sowie Quick-Checks vor Ort an. Sie hilft auch bei der Vermittlung von Transferpartnern wie Hochschul-Institute oder Institutionen wie Fraunhofer im Rahmen des it’s OWL Spitzenclusters.
Austausch bei Erfrischungen und ein Blick ins Museum von Dürkopp Adler
Im Anschluss an die informativen Vorträge konnten sich die Teilnehmer mit Currywurst, Burgern und Erfrischungsgetränken stärken und noch einen Blick in das kleine, aber feine Museum der Dürkopp Adler AG werfen. Dort gab es neben verschiedenen historischen Fahrrad- und Nähmaschinenmodellen auch einen Dürkopp-Oldtimer zu bewundern, der immer noch fein herausgeputzt zu Oldtimer-Veranstaltungen ausgeführt wird. Hier wurde man daran erinnert, dass der Firmengründer Nikolaus Dürkopp stets sehr offen für Neues war und gerne neue Wege ausprobierte – ein Ansatz, welcher dem Unternehmen auch heute noch zu Erfolg verhilft.
Titelbild: Fotolia 77566405 XS